"Osnabruga vel Aureliopolis" Stadtplan von Osnabrück mit bildlicher Darstellung der Gebäude in Schrägaufsicht von Osten. Rechts oben acht-speichiges Rad. um 1633 (Stadtplan von Wenzel Hollar), Nachdruck ca. 1947 (NLA OS K 62 a Nr. 13 H)

Der Westfälische Frieden von 1648

von Siegrid Westphal und Volker Arnke

Der in Osnabrück und Münster ausgehandelte Westfälische Frieden von 1648 beendete den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) und gilt als zentrales Friedenswerk der Frühen Neuzeit, das bis 1806 den Frieden im Innern des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation sichern konnte. Der von 1643 bis 1648 tagende Friedenskongress kann zudem als erster gesamteuropäischer Friedenskongress bezeichnet werden, der für die folgenden europäischen Friedensschlüsse als Referenzfrieden Maßstäbe setzte.

Der Anspruch des Westfälischen Friedenskongresses bestand darin, durch einen Universalfrieden gleich vier zentrale militärische Auseinandersetzungen in Europa zu befrieden, die eng miteinander verzahnt waren. Dazu zählte erstens der seit 1568 geführte Achtzigjährige Krieg zwischen den Nördlichen Niederlanden und Spanien, bei dem die Kontrahenten um die Eigenständigkeit der Nördlichen Niederlande kämpften. Zweitens ging es um den Konflikt zwischen dem Kaiser, den deutschen Fürsten und Schweden (seit 1630) sowie drittens um den Krieg zwischen dem Kaiser, den deutschen Fürsten und Frankreich (seit 1635). Viertens sollte der seit 1635 ausgetragene Spanisch-Französische Krieg beendet werden. 

Der Anspruch, einen Universalfrieden schließen zu wollen, spiegelt sich auch in der bis dahin beispiellosen Größe des Kongresses wider, der in der Forschung als „Kongress der Superlative“ bezeichnet wird. Insgesamt 109 zum Teil zahlreiche Personen umfassende diplomatische Gesandtschaften vertraten 16 europäische Staaten und 140 deutsche Fürsten und Städte sowie 38 weitere Mächte – unter ihnen italienische Republiken oder die Stadt Basel, die das Kongressgeschehen durch eigene oder fremde Gesandte beobachten ließen und Eigeninteressen vorbrachten. So gelang es beispielsweise der Schweizer Eidgenossenschaft, vom Reich unabhängig erklärt zu werden, obwohl sie an den Kriegen überhaupt nicht beteiligt war.  

Als erstes konnte am 15. Mai 1648 zwischen Spanien und den Nördlichen Niederlanden der Friede von Münster beschworen werden, der den Achtzigjährigen Krieg beendete und als Geburtsstunde der heutigen Niederlande gilt. 

Schließlich gelang es durch intensive Verhandlungen und große Kompromissbereitschaft der deutschen Fürsten das Reich zu befrieden, und zwar in zwei aufeinander bezogenen Friedensschlüssen. Zum einen handelt es sich um den zwischen dem Kaiser, den deutschen Fürsten und Schweden in Osnabrück durch Handschlag bekräftigten Friedensvertrag vom 6. August 1648, zum anderen um den zwischen dem Kaiser, den deutschen Fürsten und Frankreich in Münster geschlossenen Friedensvertrag vom 24. Oktober 1648. Beide Friedensinstrumente zusammen werden als Westfälischer Friede bezeichnet.

Isaak Volmar. Anselmus van Hulle: Les hommes illustres qui ont vécu dans le XVII. siecle, 1717 (CC0 1.0).

Der Osnabrücker Handschlag – Durchbruch zum Westfälischen Frieden

Es sollte der entscheidende Tag des Westfälischen Friedenskongresses werden: Nach dreißig Jahren Krieg in Mitteleuropa und fünf Jahren Friedensverhandlungen in Osnabrück und Münster wollten die Gesandten am 6. August 1648 endlich den ersehnten Frieden schließen. Mit Spannung hatten sich morgens die Vertreter der deutschen Fürsten im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses versammelt, um ihre letzten Beratungen vor dem großen Ereignis zu führen. Würde es noch am selben Tag tatsächlich zum Abschluss des Friedens zwischen dem Kaiser, dem Reich und Schweden kommen? Um zehn Uhr wechselten die Gesandten ins schwedische Quartier auf die Große Domsfreiheit über, wo sie auf die Schweden und die Kaiserlichen trafen. Stunden des gespannten Abwartens folgten, in denen der kaiserliche Gesandte Isaak Volmar den Entwurf des Friedensvertrages Wort für Wort verlas. Über sechs Stunden hinweg zog sich seine Lesung, ein wichtiger notarieller Akt, und noch manche Korrektur wurde vermerkt. Die Nerven der Gesandten müssen zum Zerreißen gespannt gewesen sein, als noch darüber diskutiert wurde, wie der Friedensvertrag Gültigkeit erlangen könnte. Denn die Schweden wollten mit Rücksicht auf ihre französischen Verbündeten den Vertrag nicht vor Ort unterzeichnen. Doch dann die erlösende Idee: Ein Handschlag sollte es tun. Um vier Uhr nachmittags versprachen sich so die Gesandten zum Zeichen, dass an dem Friedensvertrag „weiter nichts geendert werden solt“, den Frieden „in die handt“ und verschafften ihm damit Rechtsgültigkeit.

Die Erleichterung der Gesandten war enorm, denn der Friedensschluss war zuvor lange Zeit nicht absehbar gewesen. Noch im Sommer 1647 war es zu einer Krise des Kongresses gekommen, in der sich die Vertreter der großen Mächte in eine Verhandlungssackgasse manövriert hatten. Erst als einige Fürsten – besonders Bayern, Braunschweig-Lüneburg, Mainz und Sachsen-Altenburg – das Heft des Handelns in die Hand nahmen und den Weg des Kompromisses einschlugen, kam wieder Bewegung in die Beratungen. Diese entscheidende Endphase des Kongresses ereignete sich in Osnabrück, wo sich die kompromissbereiten Gesandten der Fürsten versammelten. Der Osnabrücker Handschlag stellt nun den Höhepunkt des fürstlichen Erfolges dar. Er bekräftigte den Friedensvertrag zwischen zwei wichtigen Kontrahenten des Dreißigjährigen Krieges – den Kaiserlichen und den Schweden – einen Vertrag, der zugleich für die nächsten 150 Jahre Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation werden sollte.

Auf dem Weg zum endgültigen Kriegsende stand jetzt nur noch der Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und Frankreich aus. Und auch dieser wurde in Osnabrück zur Unterschriftsreife gebracht. Der eigens zum Osnabrücker Handschlag aus Münster angereiste französische Gesandte Servien handelte mit den Gesandten der Fürsten die letzten offenen Punkte aus und setzte die Endfassung des Vertrages auf. Zwar reisten die Gesandten auf Wunsch des Kaisers nach Münster, um am 24. Oktober 1648 die Verträge zu unterzeichnen, doch wurden die entscheidenden Durchbrüche zum Westfälischen Frieden nicht dort, sondern in Osnabrück erzielt.

"Planta der Stadt Osnabrück mit den Approchen und Attaque so angefangen den IV Aug. und Durch Direction Hn. Feltmar. Kniphausen den II Septemb: Vollendet Anno 1633" (NLA OS K 62 a Nr. 514 H)

Ein wahres „Weltwunder“:

Dass angesichts der komplexen Konfliktlage im damaligen Europa immerhin drei der vier Konflikte befriedet werden konnten, wurde bereits von den Zeitgenossen als wahres „Weltwunder“ (Contarini) bezeichnet. Ein Krieg, der Spanisch-Französische, dauerte bis 1659 an und wurde erst im Pyrenäenfrieden beendet.

Die größte Bedeutung gewann der Westfälische Frieden vor allem für das Heilige Römische Reich deutscher Nation, weil der Religionsfrieden und die Reichsverfassung wiederhergestellt wurden und für einen langen Zeitraum Sicherheit und Stabilität gewährleisteten. Nicht zuletzt deshalb wird der Westfälische Frieden auch als Grundgesetz des römisch-deutschen Reiches bezeichnet, mit dem die Ära der Konfessions- beziehungsweise Religionskriege im Reich endete. Von besonderer Bedeutung waren vor allem die Religionsbestimmungen, wodurch die drei Konfessionen (Katholiken, Lutheraner und Calvinisten) rechtlich gleichgestellt wurden. Durch das sogenannte Normaljahr wurden zudem der konfessionelle Besitzstand und der konfessionelle Status der Untertanen auf den Zustand vom 1. Januar 1624 dauerhaft festgelegt, was die Religionsausübung vor möglichen Veränderungen der Landesherren schützte. Manche Historiker sehen darin bereits eine Vorstufe der religiösen Toleranz in Europa.

Schon die Zeitgenossen wussten den Westfälischen Frieden hoch zu schätzen. Wenn frühneuzeitliche Denker wie der französische Aufklärer Jean-Jaques Rousseau Mitte des 18. Jahrhunderts hervorheben, dass das römisch-deutsche Reich und die durch den Westfälischen Frieden repräsentierte Verfassung Vorbild für ein friedliches Europa sein sollen, dann hat die damit verbundene Idee von Europa als Friedensbund bis heute nichts an ihrer Kraft eingebüßt. Der Westfälische Frieden ist ein europäischer Erinnerungsort, der angesichts der heutigen Krisen und Konflikte versinnbildlichen kann, dass Frieden – auch unter schwierigsten Rahmenbedingungen – immer das Ziel aller Politik sein muss. Es gibt kein besseres Symbol dafür als die Rathäuser in Münster und Osnabrück, die zum europäischen Kulturerbe zählen. Dies wussten auch die Stadtväter schon, als sie – kurz nach Unterzeichnung der Friedensverträge – Gesandtenbildnisse in Auftrag gaben, um in den großen Ratsstuben „zu einem stets währenden Gedächtnis“ an den Westfälischen Frieden zu erinnern.